Rückschau auf das 7. Heidelberger Forum Geschäftsberichte

Das Motiv ›Farbe bekennen‹ hätte in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht aktueller, nicht prophetischer ausgewählt werden können.

Wie setzt der Geschäftsbericht seine roten und schwarzen Zahlen um? Im Text, im Inhalt, in der Gestaltung. Betreibt er Augenwischerei, um die Leser im Unklaren zu lassen? Oder hat er den Mut, ›Farbe zu bekennen‹, die Aktionäre mit ins Tal zu nehmen und ihnen eine realistische Zukunftslandschaft vor Augen zu führen? Und schließlich: Braucht man in der Krise überhaupt noch einen Geschäftsbericht, der den Anspruch haben soll, »ein Vertrauen schaffender Händedruck« zwischen Unternehmer und Anleger zu sein? An welchen Segmenten wird gespart? An der Ausstattung? Am Umfang? An der Ehrlichkeit?

Die Referenten des diesjährigen Heidelberger Forums waren zu diesem Fragekomplex maßgeschneidert angefragt und ausweislich hoher wissenschaftlicher Kompetenz klar in ihren Aussagen. Sie sprachen sich für Transparenz, Unternehmenskultur und Mitarbeiterkultur aus. Sie konnten auf internationale gesetzliche Regelwerke verweisen, die objektive Prüfungen ermöglichen und schwarze Schafe orten lassen. Vertrauen sei immer noch barer Geldwert -auch in Krisenzeiten.

In diesem Focus wurden nicht nur die Geschäftsberichte beleuchtet, sondern auch deren Zukunft. Bei der Beurteilung müsse immer das ›Zwitterwesen‹ Geschäftsbericht gesehen werden, das die Vergangenheit zu dokumentieren und die Zukunft zu prognostizieren habe. Für die Seminarteilnehmer aus großen deutschen Dax-Unternehmen stellte sich das Problem, für die nächste Zeit zwischen Sparzwang, Qualität und Wettbewerbsfähigkeit zu jonglieren. Professor Gisela Grosse, Institututsleiterin des CCI an der Fachhochschule Münster, hatte zum 7. Heidelberger Forum Geschäftsberichte eingeladen. Sie warnte vor Reduzierungen auf Kosten der Transparenz und der Qualität. »Die Glaubwürdigkeit der Kommunikation«, assistierte ihr Helge Werner von der Heidelberger Druckmaschinen AG als Hausherr der Veranstaltung, »dürfe nicht in Frage gestellt werden«.

Den prämierten Geschäftsberichten (in der neuesten Ausgabe vom Manager Magazin 10/09 ausführlich dokumentiert) sprach Professor Grosse allgemein hohe Qualität zu. Es sei wie beim Hochleistungs-Sport, die Differenzen liegen inzwischen bei Minimalwerten, wohl auch, weil sich das Niveau seit Einführung des Manager-Magazin-Wettbewerbs verbessert und das Regelwerk strenger geworden sei. Die im Durchschnitt trotzdem schwächere Gestaltungsbewertung in diesem Wettbewerbsjahr sei insbesondere der Prüfung ökologischer und gesellschaftlicher Leistungsindikatoren geschuldet.

Über die Berichtspflicht und die Glaubwürdigkeit sprach Dr. Herbert Meyer, Präsident der DPR (Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung). Diese, von der Bundesregierung eingesetzte Institution (»Damit wir kein zahnloser Tiger sind«) konzentriert sich bei ihren Prüfungen auf »kritische und wesentliche Teile«, im Übrigen u.a. auch an Hand der Geschäftsberichte. Die aktuelle Bilanz der Fehlerquote von fast 25 Prozent sei eine »erschreckende Bilanz«. Die Ursachen sah er zum einen in einem sehr komplizierten Regelwerk, zum anderen in den Schwachpunkten der Lage-, Risiko- und Prognoseberichte. Er sprach sich deshalb für eine Vereinfachung der Rechnungslegungsstandards aus. Eine erforderliche schnelle europäische Gleichstellung der Prüfungsregulierungen sah er indessen nicht: Dazu müssten sehr viele Gesetze in den EU-Ländern geändert werden, ein zäher Prozess.

Vom Wasserpredigen und Weintrinken, also von der Glaubwürdigkeit im Kapitalmarkt aus Sicht großer Investoren sprach Christian Strenger, Aufsichtsrat der DWS Investment GmbH und unter anderem Mitglied der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Richtiges Handeln und Überzeugungsleistung seien Voraussetzungen für unternehmerische Glaubwürdigkeit. Rosiges Selbstbild und Selbstverliebtheit von Aufsichtsräten und Vorständen seien zwar menschlich, aber schädlich für die Unternehmen. Er warb für Verständlichkeit, klare Vorgaben, partnerschaftliches Verhalten, intensiven Dialog – von Authentizität. Sein Hinweis: Independant in mind. Für eine erfolgreiche Geschäftsführung empfahl er Null-Toleranz bei signifikantem Fehlverhalten, intensive Darstellung der ‚Non-Financials‘ und ausreichende Rechenschaft über frühere Prognosen und deren Erfüllung. Konservatives Understatement anstatt Schönwetterphilosophie. Die Unternehmensethik müsse stimmen, das heißt, sie müsse nachhaltig angelegt sein. Berechenbarkeit für Mitarbeiter und Anleger. Es täte gut, wenn mehr Frauen in die Aufsichtsräte kämen. Aber nicht durch Quoten, sondern durch Leistung, durch »auf sich aufmerksam machen«. Auch er, wie die anderen Referenten übrigens auch, sprach sich gegen die Reduzierung oder Vernachlässigung von Geschäftsberichten in der Krise aus. Denn dafür gebe es keinen Ersatz.

Das inhaltliche Ergebnis der geprüften Geschäftsberichte wurde von Professor Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Leiter des manager magazin Wettbewerbs und Leiter des Prüfteams Inhalt, mit der Botschaft verbunden, dass trotz Krise die Qualitätswerte leicht gestiegen seien. Im Geschäftsbericht werde die Kommunikation von Umwelt- und Mitarbeiterbelangen stärker geprüft werden. »Eine starke Unternehmenskultur erwirke unternehmerischen Erfolg«. Unternehmenskultur würde über Artefakte, Zeichen und Symbole visualisiert.

Das 7. Heidelberger Forum Geschäftsberichte trat mit seinen wissenschaftlichen Vorträgen aus dem Schatten der Krise und beleuchtete optimistisch ihre Chancen. Einen besonderen Akzent setzte der Geschäftsführer der Keese & Sollmann Beratungsgesellschaft, der Coach und Kommunikationsberater Ulrich Sollmann, der sozusagen die Forderung nach Glaubwürdigkeit und Überzeugungsfähigkeit weich zeichnete und psychologisch unterlegte.

Als Vertreterin des Wettbewerbssiegers, ThyssenKrupp, gab Barbara Scholten Einblicke in die Philosophie des Unternehmens die Mitarbeiter stark einzubinden. Diese stellten (fast familiär) die fotografierten Personen, nicht von Agenturen gecastete Models.

Carol Sizmur von der BASF, porträtierte ihr Unternehmen als weltweit agierendes Netzwerk, das sich auf die Verbindung von Öknonomie, Ökologie und Wirtschaft konzentriere. Ihre Geschäftsberichte werden durch magazin-ähnliche Kurzfassungen ergänzt. Die Deutsche Post DHL mit ihrer weltweiten integrierten Logistik, so Susanne Stacklies, setzt auf das gute, alte Postgelb und eine durchgängig fortgesetzte und transparente Berichterstattung.

Farbe bekennen, das war’s: Alle kritischen Beiträge in diesem siebten und dem ersten – an den Grundfesten der Geschäftsberichte rüttelnden – Seminar in schwieriger Zeit steuerten auf ein Ziel: Der Geschäftsbericht bleibt wichtigstes Scharnier zwischen Unternehmen und Anlegern, zwischen Innen und Außen, zwischen Oben und Unten. Es sei nicht klug, hier an die Substanz zu gehen. Ob an der Ausstattung der Geschäftsberichte in Zukunft so gespart werden muss, dass es für die Nutzer demonstrativ sichtbar wird oder eben nicht, das – so zeigte eine spannende Diskussion – wird entsprechend der Strategie der Unternehmen in den Chefetagen entschieden.

sonja haUT

Head Strategic Measurement and Materiality,
Novartis

Sonja Haut arbeitet seit 2015 für Novartis im Bereich Impact Valuation, seit August 2020 als Head Strategic Measurement and Materiality in Global Health and Corporate Responsibility und in Group Financial Reporting and Accounting. Sie hat einen MBA bei der IMD Business School Lausanne erworben und verfügt über ein Staatsexamen in Physik und Mathematik der Universität Freiburg, Deutschland.

Katharina Netz

Vorstandsmitglied


Mitglied im CCI-Analyseteam zur gestalterischen und kommunikativen Qualität des Reportings (seit 2010).Mitgründerin des CCIR-Forum Reporting (seit 2021).

Senior Art Director mit dem Schwerpunkt Marken-, Unternehmenskommunikation und Finanzkommunikation bei Meiré und Meiré, Köln. Verantwortlich für den Nachhaltigkeits- und Geschäftsbericht der Porsche AG und die Marken- und Unternehmenskommunktion der Dornbracht Deutschland GmbH & Co. KG uvm. (seit 2017).

Designerin mit dem Schwerpunkt Costumer & Design Research, Service Design in den Abteilungen Design Academy und Design for Innovation der Deutschen Telekom, Bonn (2016 – 2017).

Art Direction Freelance mit dem Schwerpunkt Marken-, Unternehmenskommunikation und E-Commerce u.a. für die E-Commerce-Agentur Kommerz und Schmitz – Visuelle Kommunikation Wuppertal (2012 – 2016).

Studium Master of Arts Information und Kommuniktion, FH Münster FB Design (2012 – 2014).
Studium Bachelor of Arts Kommunikationsdesign, FH Münster FB Design (2008 – 2012).

Bennet Grüttner

Vorstandsmitglied


Mitglied im CCI-Analyseteam zur gestalterischen und kommunikativen Qualität des Reportings (seit 2013). Mitgründer des CCIR-Forum Reporting (seit 2021).

Selbstständiger Designer und Künstler. Umfassendes Kommunikationsdesign und professionelle Wandgestaltung (seit 2019 mit eigenem Büro).

Eröffnung ›Studio Auckz‹, Designbüro im Südviertel von Münster (2019).

Freischaffender Künstler und Designer. Graffiti, Design, Bewegtbild, Workshopleitung (seit 2015).

Studium Master of Arts Kommunikation & Information, FH Münster FB Design (2013 – 2015).

Studium Bachelor of Arts Kommunikationsdesign, FH Münster FB Design (2009 – 2013).

Graffiti Künstler – Arbeiten mit der Sprühdose und Mischtechniken (seit 1999).

Prof. Gisela Grosse

Sprecherin des Beirats

Gründerin des CCI– Corporate Communication Institute der Hochschule (seit 2003, seit 2015 CCI Forschungslab – www.cci-muenster.de). An diesem Institut lehrt sie u.a. »Corporate Reporting – die Gestaltung von Geschäftsberichten«.

Wissenschaftliche Leiterin des Prüfsegments Kommunikation und Gestaltung im Wettbewerb »Die besten Geschäftsberichte« (seit 2004, bis 2013 in Kooperation mit dem Manager Magazin).

Entwicklung des Analysetools zur Bewertung der kommunikativen und gestalterischen Qualität des Reportings in digitalen und analogen Medien.

Leiterin des »Heidelberger Forum Geschäftsberichte«, Gründerin und Leiterin der »Visuellen Bilanz«, Mitgründerin des CCIR-Forum Reporting (seit 2021).

Designerin, Consulting, Corporate Identity, Corporate Design, Corporate Communication (1982 – 2002 selbständig mit eigenem Büro).

Leitsatz: Design ist die Bestimmung durch Darstellung.

Professorin für Corporate Identity, Unternehmens- und Finanzkommunikation an der Hochschule Münster (1994 – 2022).

Hanne Gleußner-de Boer

Vorstandsmitglied


Mitglied des CCI-Analyseteam zur unabhängigen Bewertung der gestalterischen und kommunikativen Qualität des Reportings (seit 2019).
Seit 2021 aktives Mitglied des Vorstands.
Mitgründerin des CCIR-Forum Reporting (seit 2021).

Selbstständig tätige Diplom-Designerin mit dem Schwerpunkt Unternehmens- und Finanzkommunikation. Geschäftsführende Gesellschafterin der Designagentur „Gleußner Helbach Design“, Gründung 2014. Konzeption des Online-Geschäftsbericht 2017 für Kühne+Nagel.
Verantwortlich für die Konzeption und Umsetzung des Nachhaltigkeit- und Geschäftsberichts (Print und Online) der DMG MORI Aktiengesellschaft (ehemals Gildemeister). Seit 2019 Lead für die gesamte Finanzkommunikation der DMG MORI Aktiengesellschaft.
Ganzheitliche Betreuung in der Markenerscheinung weiterer Unternehmen aus den Branchen Pharmazie, Stahl und IoT – Digital, Print und im Raum. 

Art Director mit dem Schwerpunkt Branding and Reporting bei der Montfort Werbung, Österreich (2012 – 2014).
Junior Art Director bei Plantamedium, Warendorf (2011 – 2012). Kunde CLAAS und CLAAS Vertriebspartner.
Studium Kommunikationsdesign, FH Münster FB Design (2006 – 2010).